Rechenschaftsbericht

des Rektors der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Prof. Dr. Hans-Werner Ludwig
über die Amtszeit vom
18. Juli 1995 bis zum 30. September 1996

10. Zentrale Einrichtungen

10.1 Universitätsbibliothek

10.1.1 Etat und Bestandsentwicklung

Im Unterschied zum Vorjahr hatte sich die Etatsituation der Universitätsbibliothek im Berichtszeitraum erfreulicherweise zunächst entspannt. Die Abbestellungen des vergangenen Jahres konnten gestoppt und an manchen Stellen wieder rückgängig gemacht werden. Zusätzliche Mittel aus dem Zentraletat des Ministeriums verstärkten die Kaufkraft. Der Bonus für Drittmitteleinwerbung und eine finanzielle Unterstützung für die umfangreichen Sondersammelgebietsverpflichtungen der Bibliothek taten ein übriges, so daß die Universitätsbibliothek bis zu den 1996 verfügten Haushaltssperren und -kürzungen von einem Jahr mit ausgeglichener Erwerbungstätigkeit sprechen konnte.

Wie in den vergangenen Jahren bewegte sich das Erwerbungsvolumen 1995 wieder im Bereich von 70.000 Bänden oder ca. 2 km neuerworbener Literatur. Ein herausragender antiquarischer Kauf war die Übernahme der wissenschaftlichen Bibliothek des Dichters und Übersetzers Johannes von Günther (1886-1973), in der einmalige Schätze aus der Frühzeit der russischen Revolution z.T. als Widmungsexemplare der Autoren enthalten sind. Eine Ausstellung "Ein Leben im Ostwind" mit Katalog würdigte das Ereignis und stellte die Erwerbung einer breiteren Öffentlichkeit vor.

Zum Bestandsaufbau gehört auch das umgekehrte Verfahren der Erwerbung, die Aussonderung. Knapper werdende Raumressourcen fordern zwingend, daß sich auch die Universitätsbibliothek von Doppelexemplaren und inhaltlich, z.B. durch Neuausgaben, überholten Werken trennt. Aussonderung ist ein Desiderat des Wissenschaftsrats, der nur dann etwaigen Neubauplänen zustimmt, wenn die Bibliothek nachweisen kann, daß sie regelmäßig ihre Bestände durchsieht und Überflüssiges ausscheidet. Im Berichtszeitraum konnte die Universitätsbibliothek ca. 60.000 Bände aussondern und unter entsprechenden haushaltsrechtlichen Vorgaben entweder an andere Bibliotheken abgeben oder makulieren.

10.1.2 Benutzungseinrichtungen

Mit ca. 900.000 Ausleihvorgängen erreichte die Universitätsbibliothek wieder die Vorjahreszahlen. Der größte Anteil liegt bei der Lehrbuchsammlung. Ohne elektronisches Ausleihsystem wäre das Volumen längst nicht mehr zu bewältigen. Wie abhängig die Bibliothek von einem funktionierenden Ausleihsystem ist, zeigte sich in den Wochen um Weihnachten und Neujahr 1995/96. Ein Hardwarefehler, vermutlich durch eine Überspannung ausgelöst, legte das Ausleihsystem OLAF für drei Wochen lahm. Presse, Rundfunk und Fernsehen berichteten über den Vorgang ausführlich und trugen mit dazu bei, daß die bisherige Landesplanung für die Entwicklung eines Nachfolgesystems zugunsten des Kaufs eines kommerziellen Systems aufgegeben wurde. Zur Zeit werden im Bibliotheksservicezentrum in Konstanz intensive Tests angestellt, um sich so bald wie möglich für ein neues, stabiles Recherche- und Ausleihsystem zu entscheiden.

Der im vergangenen Jahr eingeführte EDV-Katalog (OPAC der UB) hat sich im Einsatz vollauf bewährt und ist inzwischen zum Standardeinstieg bei der Literatursuche geworden. Demgegenüber gerät der konventionelle Kartenkatalog immer mehr ins Abseits. Seit Jahresbeginn 1996 werden keine Katalogkarten mehr nachgelegt. Inzwischen ist das Titelangebot im EDV-Katalog auf über 1 Mio. Nachweise gestiegen. Literatur ab Erwerbungsjahr 1983 ist mit Sicherheit und Literatur vor diesem Datum mit großer Wahrscheinlichkeit im EDV-Katalog enthalten. Die Universitätsbibliothek unternimmt große Anstrengungen, auch den noch verbleibenden Rest von ca. 2 Mio. Titelaufnahmen in den EDV-Katalog zu konvertieren. Dabei ist sie ganz auf ihre eigenen Ressourcen angewiesen. Die anfängliche Unterstützung durch Zentralmittel wurde im Berichtszeitraum nicht fortgeführt. Kürzungen bei den Hilfskraftgeldern und sonstige Einschränkungen werden in Zukunft nicht mehr erlauben, daß das bisherige Tempo bei der Konversion beibehalten wird - zum Nachteil der Benutzer und der Universität. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Datenverarbeitung gelang es, eine erste Charge von CD-ROM-Datenbanken nach dem Client-Server-Modell netzweit anzubieten. Umfangreiche datentechnische Vorarbeiten waren hierfür erforderlich. Universitätsbibliothek und Zentrum für Datenverarbeitung teilen sich die Finanzierung des hierfür erforderlichen Personals. Dank der Bereitschaft des Verwaltungsrats wurden für ca. 100.000,- DM CD-ROM-Datenbanken mit Netzfähigkeit erworben. Grundlage hierfür ist eine neue Form der Mischfinanzierung: Zwei Drittel des Betrags stammen aus Zentralmitteln der Universität, während die Universitätsbibliothek das restliche Drittel aus ihrem Etat zusteuert.

Die übliche Form, Zeitschriftenaufsätze und Bücher an auswärtige Bibliotheken zu liefern, ist die Fernleihe. Bekannt für ihre extreme Langsamkeit setzen sich in Deutschland immer mehr Direktlieferdienste durch. Dank der Unterstützung durch die DFG ist die Universitätsbibliothek Tübingen jetzt in der Lage, für ein mäßiges Entgelt gewünschte Literatur innerhalb von 48 Stunden per Post, Fax, E-Mail oder FTP zu liefern. Der Service findet regen Zuspruch. Geplant ist, den Dienst auch auf Benutzer innerhalb des Tübinger Bibliothekssystems auszudehnen. Damit wäre einem langgehegten Wunsch der Universität auf Einführung eines Literaturlieferdienstes entsprochen.

10.1.3 Bauplanung

Auf den Zerfall des Altbestands in Derendingen wurde bereits im vergangenen Rechenschaftsbericht aufmerksam gemacht. In der Tendenz hat sich die Lage zeitabhängig nicht gebessert. Ausführliche Berichte in der Öffentlichkeit verfehlten ihre Wirkung nicht. Die geplante Errichtung eines Erweiterungsbaus wird allgemein als dringend notwendig empfunden. Nach dem Willen der Landesregierung soll der geplante Erweiterungsbau im Zusammenhang mit der Zukunftsoffensive Baden-Württembergs errichtet werden. Geplant ist ein Bau mit ca. 10.000 qm HNF auf dem Gelände jenseits der Ammer mit Brückenanbindung an das jetzige Hauptgebäude. Vorgesehen sind zwei im Umfang ungleiche Baustufen. Am 18. Juli 1996 fand die für alle Bauvorhaben des Landes erforderliche Besprechung der interministeriellen Arbeitsgruppe mit positivem Ausgang statt. Nächster Verfahrensschritt ist die Begutachtung des Projekts durch den Wissenschaftsrat. Der weitere Fortgang der Planungen und die Bestimmung des endgültigen Baubeginns hängt dann von der Realisierung der Privatisierungsabsichten der Landesregierung ab.

10.2 Zentrum für Datenverarbeitung

Der Sachstandsbericht strebt wie in den letzten Jahren keine vollständige Darstellung der Aktivitäten des ZDV an, sondern geht nur auf die wesentlichen Ereignisse ein. Folgende Entwicklungen und Ereignisse haben die Situation von 1995/96 besonders markiert bzw. werden die weitere Arbeit entsprechend beeinflussen.

Im einzelnen ist von den Arbeitsgebieten des ZDV folgendes zu berichten:

10.2.1 Netze

Für die 1995 erwarteten Mittel in Höhe von 1,5 Mio. DM ist in der zweiten Jahreshälfte der Kassenanschlag erfolgt, so daß nach dem Stillstand im Netzausbau vom Juli 1994 bis Juni 1995 weitere 700 Anschlüsse gelegt werden konnten. Zusammen mit den 1996 angewiesenen 0,5 Mio. DM, das sind erst 25 % der für 1996 vorgesehenen Mittel (!), ist der Netzausbau auf insgesamt ca. 25 % der Nutzungsanforderung fortgeschritten. Dabei werden bereits neue, die nächsten Jahre bestimmende Technologien eingesetzt:

10.2.2 Hochleistungsrechnersysteme

Der Compute-Server hat mit einem Lastfaktor von 3 weiterhin eine hohe Akzeptanz. Als besonders erfreulich ist die hohe Stabilität und Verfügbarkeit dieser Maschine, ein 6-Prozessor-Vektorrechner mit 2 GB Hauptspeicher vom Typ Convex C3860, zu nennen. Eine Ablösung der Maschinen ist jedoch 1996/97 wegen der hohen Wartungskosten und wegen der heute bereits zu gering gewordenen skalaren Leistung geplant. Im Bereich des File-Servers wird neben der angebotenen Archivierung von Benutzerdaten und dem Backup von Systemdaten ein eigentlicher File-Service (d.h. aus der Nutzersicht ein zusätzlicher schneller Plattenplatz) angefragt, so daß hier ebenfalls Neuerungen beabsichtigt werden.

10.2.3 Workstation-Server

Nachdem aufgrund der starken Zunahme von Maildiensten bereits 1994 der Mail-Server durch eine leistungsstarke Workstation abgelöst wurde, mußten Ende 1995/Anfang 1996 sowohl ein eigener News-Server wie ein neuer WWW-Server eingerichtet werden. Für den News-Service wurde als Server erstmals ein PC unter dem Linux-Betriebssystem eingesetzt. Die Kosten eines solchen Linux-Servers liegen bei 50 % einer vergleichbaren Workstation. Für den WWW-Server wurde ein neues technisches Konzept entwickelt, das einen skalierbaren preiswerteren Workstation-Cluster (z.Zt. drei Maschinen) anstelle einer einzigen Hochleistungsworkstation einsetzt.

10.2.4 Software

Aufgrund der starken Nutzung des PCs als Kommunikationsrechner hat das ZDV 1995 begonnen, als PC-Betriebssystem nur noch Windows 95 und Windows NT zu unterstützen. Gleichzeitig wurde der Netzzugang mit dem PC weiter standardisiert und für die sogenannten Netzmehrwertdienste, das sind die Kommunikationsdienste des ZDV und der UB, ein entsprechender Diskettensatz gefertigt und dem Benutzer angeboten, der ein "install and use" ermöglicht. Insgesamt wurde der Benutzer mit einer Palette von PC-Dienstangeboten vertraut gemacht. Im gleichen Zeitraum wurde als nichtproprietäres UNIX-Derivat für PCs das Linux-Produkt angeboten. Die großen (und teuren) Campus-Lizenzen für Workstations werden aufgrund dieser Entwicklung zurückgefahren.

10.2.5 TUSTEP

Die Aktivitäten zur computergestützten Analyse und Verarbeitung von Textdaten, deren sichtbarstes Ergebnis das hier entwickelte Programmsystem TUSTEP ist, konnten im September 1995 auf 25-jährige erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken. Mit dem Vordringen internationaler Standards wie SGML kommen neue Aufgaben auf dieses Arbeitsgebiet zu. Ende 1995 und Anfang 1996 veranstaltete das ZDV zwei international besuchte mehrtägige Workshops "SGML-konforme Textauszeichnung nach den Richtlinien der Text Encoding Initiative". Die Stichpunkte "Modularität, Professionalität, Integration, Portabilität", mit denen das TUSTEP zugrundeliegende Konzept im Mai 1996 in Princeton bei einer Tagung über "Künftige Anforderungen an Software zur Textanalyse" vorgestellt wurde, sind in einer im Internet verbreiteten Zusammenfassung von einem der Organisatoren als "perhaps the most important points for thinking about the next generation of text analysis tools" bezeichnet - eine gute Basis für die Weiterarbeit des ZDV auf diesem Gebiet.

10.2.6 Organisation und Personal

Im Organisatorischen hat das ZDV die Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek (UB) und der Zentralen Verwaltung verstärkt. In Zusammenarbeit mit der UB hat das ZDV ein Konzept zur Nutzung von CD-ROMs im Netz auf Internetbasis entwickelt, mit dem auf zahlreiche bisher nur auf CD-ROM an Einzelplätzen in der UB zur Verfügung stehende Datenbanken nun netzseitig vom Arbeitsplatzrechner aus zugegriffen werden kann. Die dafür erforderlichen Sach- und Personalmittel wurden von der UB bereitgestellt. Seit Frühjahr 1996 ist der Dienst uni-weit nutzbar. Die Akzeptanz ist laut UB bereits so hoch, daß die UB vor finanziellen Problemen bzgl. des Einkaufs weiterer Datenbanken steht.

Wie bereits oben angesprochen, führt die Schere zwischen der Mitarbeiterzahl des ZDV und der zu betreuenden Nutzer zu einer immer stärkeren Auswahl an Dienstleistungen. Dabei werden insbesondere persönliche Beratung und Unterstützung schwieriger bzw. können nur als Dienstleistung gekauft werden (z.B. Einrichten eines Benutzer-PCs mit Netzanbindung). Durch vermehrte Schulungsangebote (1995 nahmen mehr als 1.600 Studenten und Institutsmitarbeiter an den Kursen teil) und elektronische Hilfsmittel wird angestrebt, eine größere Benutzerzahl gleichzeitig zu erreichen. Die sich hier auch stark engagierenden geprüften wissenschaftlichen Hilfskräften oder befristet eingestellten Mitarbeiter auf halben BAT-Stellen sind für das ZDV eine wertvolle personelle Erweiterung. Eine kontinuierliche Sicherstellung der damit angebotenen Dienstleistungen ist damit jedoch leider nicht verbunden.

Kap. 9 Kap. 11 Presse MAIL(michael.seifert@uni-tuebingen.de)

Presseamts-Info@www.uni-tuebingen.de(dezelski@uni-tuebingen.de) - Stand: 14.11.96 Copyright